Orgelbau und Orgelmusik sind "Immaterielles Kulturerbe der Menschheit"

Nachdem die Bundesregierung im Jahre 2014 "Orgelbau und Orgelmusik" in das "Deutsche Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes" bei der deutschen Sektion der UNESCO in Berlin aufgenommen hat, erfolgte am 6. Dezember 2017 die höchste zu vergebende Auszeichnung mittels des Eintrags in die  "Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit".
Die Liste des immateriellen Kulturerbes will bewusst machen, dass Reichtum nicht allein im Wohlstand begründet liegt, sondern auch in der Vielfalt unserer Kultur. Kriterien für die Anerkennung sind unter anderem eine nachweisbare Lebendigkeit und eine identitätsstiftende Komponente für die Trägergemeinschaft der Kulturform, die Entwicklung von Erhaltungsmaßnahmen, eine weitreichende Beteiligung der Trägergemeinschaft und die Eintragung in ein nationales Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes.
Wie lebendig die Kultur des Orgelbaus und der Orgelmusik hierzulande ist, demonstrieren Orgelbauer und Organisten ständig in beeindruckender Weise ebenso wie die Tatsache, dass Tradition und Innovation durchaus im Einklang miteinander stehen können.
Die Förderung der Pfeifenorgel als sakrales Musikinstrument ist konsequent. Kaum ein anderes Instrumentarium vermag zu leisten, was die Orgel leisten kann - Sonntag für Sonntag!
Die Orgel erfüllt keinen Selbstzweck, sondern steht im Dienst der Liturgie und leistet hier einen unverzichtbaren Beitrag. Unsterbliche Orgelkompositionen wurden für dieses Instrument geschaffen, mitunter sind dies beeindruckende Glaubenszeugnisse. Der ehemalige Vorsitzender der deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, meint dazu: "Die Orgel ist den Hörenden eine behutsame Predigerin und Missionarin, die tiefer in das Geheimnis Gottes hineinführen kann."
Nicht nur  die Zunft der Orgelbauer sowie die Organisten dürfen sich durch diese von der UNESCO vorgenommene höchste Adelung geehrt fühlen, auch unsere Kirche selbst, in deren Räumlichkeiten dieses Instrument eine feste Heimat fand und sich hier über die Jahrhunderte hindurch maßgeblich entwickelt hat.
Eine Förderung des Instruments durch die Kirche ist konsequent. Schließlich verfolgt eine Orgel keinen Selbstzweck, sondern darf sich als Dienerin bezeichnen! Ja, sie steht absolut im Dienst der Liturgie und hat hier ihre besonderen Aufgaben zu erfüllen, in dem Sinne, wie es das II. Vatikanum beschreibt: Die Pfeifenorgel soll in der lateinischen Kirche als traditionelles Musikinstrument in hohen Ehren gehalten werden; denn ihr Klang vermag den Glanz der kirchlichen Zeremonien wunderbar zu steigern und die Herzen mächtig zu Gott und zum Himmel emporzuheben." (Sacrosanctum Concilium 120, Instruktion Musicam Sacram, Instrumentale Kirchenmusik)
Deshalb ist es folgerichtig, dass die Kirche durch eine Weihe die Pfeifenorgel ihrer Bestimmung in Gottesdienst und geistlichem Konzert übergibt (Zeremoniale für die Bischöfe).
Dass Orgeln innerhalb des Sakralraums eine besondere Stellung zukommt und sie nicht nur als schmucke bauliche Zugaben zu behandeln sind, wird eindeutig in den Leitlinien für den Bau und die Ausgestaltung von gottesdienstlichen Räumen klargestellt, einem Dokument, das sich vorrangig an die diözesanen Bauämter und deren Architekten wendet und vorgibt:
„Die besondere Stellung der Orgel im heutigen Gottesdienst erfordert eine sorgfältige Planung ihrer Dimensionierung und Position von Anfang an. Für die Aufstellung der Orgel gilt folgende Bestimmung: „Die Orgel und andere für den Gottesdienst anerkannte Musikinstrumente sind so aufzustellen, dass sie Sängerchor und Gemeinde beim Gesang unterstützen und auch bei reiner Instrumentalmusik von allen gut gehört werden können…. In jedem Fall ist ein Orgelsachverständiger hinzuzuziehen". (Handreichung der Liturgiekommission der Dt. Bischofskonferenz 25. 10. 1988, 6. ergänzte Auflage 2002)
Orgeln stehen vorrangig im Dienste von gottesdienstlichen Feiern. Sie prägen und bereichern unsere christliche Feierkultur wesentlich. Der Aspekt des gottesdienstlichen Belangs erfährt auch im Denkmalschutzgesetz eine respektvolle Beachtung, indem unmissverständlich eingeräumt wird:
„Die Denkmalschutzbehörden haben bei Kulturdenkmalen, die dem Gottesdienst dienen, die gottesdienstlichen Belange, die von der oberen Kirchenbehörde oder der entsprechenden Stelle der betroffenen Religionsgemeinschaft festzustellen sind, vorrangig zu beachten.“ (Denkmalschutzgesetz, §11, 6.12.1983 - aktuelle Fassung)
Dass Orgelbau und Orgelmusik seitens der UNESCO die höchste Ehrung erhielt, darf uns mit Freude erfüllen. Ehre und Dank kommt dabei auch all denjenigen zu, die Orgelprojekte immer tatkräftig unterstützt haben. Insbesondere sind hier die vielen (meist anonymen) Kirchengemeindemitglieder anzuführen, die mit ihren kleinen und großen Spenden die Voraussetzungen dafür schufen, dass jeweils "ihre“ Orgel vor Ort verwirklicht werden konnte, bzw. sich dafür eingesetzt haben, die Orgel pflegen, reparieren, renovieren, restaurieren oder rekonstruieren zu lassen. Erbe verpflichtet!
Mit der Auszeichnung "Immaterielles Kulturerbe der Menschheit" zu sein, geht zwangsläufig die Verpflichtung einher, dieses Erbe sorgsam zu pflegen - ein jeder so gut er kann und überall dort wo er Verantwortung trägt. Dies gehört auch zur Kunst, Liturge zu sein, wie es der Liturgiewissenschaftler Michael Kunzler in seinem gleichnamigen Buch formulierte:
„Darum sollten sich Pfarrer nicht zu billigen Lösungen verführen lassen und weiterhin Geld, Nerven, Kraft und Geduld investieren, um ihre Orgeln zu pflegen oder sogar das Wagnis einzugehen, eine neue zu bauen.“
Weiter Informationen findet sich unter http://www.unesco.de/kultur/immaterielles-kulturerbe.html
Anmerkung: Bei dem Begriff "Orgelbau" ist das Herstellen einer Pfeifenorgel im klassischen Sinn gemeint. Dazu zählen nicht Instrumentenimitate, deren Tonerzeugung elektronisch, bzw. digital geschieht und eine Beschallung über Lautsprecher erfolgt (derartige Instrumente werden von den Herstellern meistens als "Sakralorgel" bzw. "digitale Kirchenorgel" bezeichnet).
Eberhard Schulz, Dekanatskirchenmusiker