Wunderbares Leuchten

Noch sind Ferien – und für viele Urlaubszeit! Ich selbst mag es, im Urlaub am Strand entlang spazieren zu gehen. Das wird mir nie langweilig. Am liebsten ist es mir, wenn es kein reiner Sandstrand ist, sondern wenn das Meer Steine herangeschwemmt oder aus dem Ufer gewaschen hat. Dann liegen sie in größeren Mengen oder aber auch einzeln im Sand, grau und eher unscheinbar, und der Blick geht meistens eigentlich daran vorbei.
Aber vielleicht haben Sie einmal erlebt, was geschieht, wenn die Wellen dieses Grau überspülen:  Nasse Steine, besonders wenn die Sonne sie zum Glänzen bringt, beginnen dann zu funkeln wie Edelsteine! Plötzlich werden Farbenspiele sichtbar, Adern, Einschlüsse, Spuren von Leben, die sich eingeprägt und Jahrmillionen überdauert haben. Dem, der sich ein bisschen damit auskennt, beginnen die Steine ihre Geschichte zu erzählen: Sie erzählen, woher sie stammen, wie sie entstanden sind und wann. Sie lassen ahnen, wie sie dorthin gekommen sind, wo sie jetzt liegen.
Diese Verwandlung scheinbar ganz einfacher, grauer Strandsteine in ganz besondere, in „Edelsteine“ begeistert mich jedes mal – und sie hat mich nachdenklich gemacht: Ich habe angefangen mich zu fragen, woran eigentlich mein Blick im Alltag normalerweise so vorbei geht. Welche Farben, Geschichten, welche Schönheit würde ich wohl entdecken, wenn ich alltägliche Situationen, Begegnungen, Tätigkeiten mit einer Welle meiner Aufmerksamkeit, meiner Achtsamkeit überspülen würde? Was würde zu funkeln beginnen in einem Licht, das mir „von oben“  dazu geschenkt wird? Und ich ahne: Auch da würde mir wunder-bares begegnen.
Nicht immer zeigt sich mir auf den ersten Blick das, was den Menschen, der mir begegnet, einzigartig macht. Und nicht immer kann ich einen tieferen  Sinn erkennen hinter dem, was passiert,  oder  etwas Schönes sehen in dem, was Tag für Tag getan werden muss.  Aber wenn es geschieht, dann sind das ganz kostbare Momente.  Und ich bin überzeugt davon, dass es ein Stück der Wirklichkeit Gottes ist, die meinen Alltag dann zum Leuchten bringt – wunderbar.
Auf meinen Schreibtisch habe ich mir nach meinem Urlaub ein kleines „Steine-Aquarium“ gestellt: eine Schale, in die ich ein paar meiner Strand-Findlinge gelegt und dann mit Wasser übergossen habe. Wenn sie in der Sonne glitzern, erinnern sie mich nicht nur an meine Ferien. Sie machen mir Lust darauf, in meinem Alltag auch dort nach funkelnden „Edelsteinen“ Ausschau zu halten, wo ich sie normalerweise nicht vermuten würde.
Gabriele Hüben-Rösch, Pastoralreferentin
Krankenhausseelsorgerin, Katholische Kirche, Schwäbisch Hall