Nachgehakt: Wo bleiben die Taten?

Verschiedene Presseportale meldeten am 15. Februar, dass sich der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf auch eine Bischöfin in der katholischen Kirche vorstellen könnte. Pastoralreferent Wolfram Rösch erinnert das an eine Begebenheit in der Kindheit.

Bild: Bistum Mainz In: Pfarrbriefservice.de
Bild: Bistum Mainz In: Pfarrbriefservice.de

Mit Meterstab, Papier und Bleistift vermaßen wir den Garten meines Freundes. Wir waren in der 5. Klasse und hatten die Idee, dort eine riesige Gartenbahn aufzubauen. Wir planten die Strecke, die Bahnhöfe, Viadukte, ein Fluss mit echtem Wasser durfte auch nicht fehlen, ebenso ein großer Abstellbereich für die vielen Lokomotiven mit Drehscheibe und Schuppen. Das Taschengeld reichte natürlich nicht für dieses Projekt. Doch unsere Finanzierung war gesichert, denn der Freund spielte Lotto und der Millionengewinn eigentlich nur noch eine kurze Frage der Zeit.
„Ich könnte mir eine Bischöfin Sattler ganz hervorragend vorstellen“, so der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf in der Beilage „Christ und Welt“ der ZEIT. Ich mir auch, denn Dorothea Sattler, Professorin am ökumenischen Institut der Universität Münster und mich verbinden gemeinsame Zeiten an der Universität Mainz: sie war damals Assistentin am Lehrstuhl für Dogmatik bei Professor Theodor Schneider und ich Student.
Dennoch kommt mir bei der Aussage von Bischof Kohlgraf auf einmal wieder die Episode aus Kindheitstagen in den Sinn. Denn vorstellen kann man sich viel: das können Gartenbahnen, der Sieg beim New York Marathon oder Iron Man auf Hawaii, Einhörner, Drachen und warum nicht auch Bischöfinnen in der katholischen Kirche sein. Aber ob das dann Wirklichkeit wird, steht auf einem ganz anderen Papier. Vorstellungen wie die Kirche anders und gerechter aussehen kann gibt es unzählige, verändert hat sich – Gott sei es geklagt – nichts.
Sofort werden sicher jetzt die Worte eines heiligen Papstes zitiert, dass die Kirche keine Vollmacht habe, Frauen zu Priesterinnen zu weihen und daher schon gar nicht zu Bischöfinnen. Schröders berühmtes „Basta“ klingt hier durch. Aber, so muss man sagen: die Kirche hat auch keine Vollmachten, Priester im heutigen Sinn zu weihen, Kardinäle zu ernennen, Kirchengemeinderäte zu installieren oder Bischofskonferenzen einzurichten. Die Liste lässt sich noch beliebig erweitern, denn nicht wenige Ämter, Dienste und Strukturen sind Entwicklungen in der Kirchengeschichte, die nichts oder allenfalls nur wenig mit dem Jesus, dem Christus und dessen frohe Botschaft zu tun haben, die in den vier Evangelien zugänglich ist. Daher muss das Evangelium immer die Richtschnur für alle kirchlichen Strukturen, Gesetze und Ordnungen sein, nämlich ob sie den Menschen dienen und befreien oder nicht.
Deshalb lieber Bischof Kohlgraf: lassen Sie endlich Taten folgen. Der ewige Gedanken-Stuhlkreis, wo man sich nur in der eigenen Blase bewegt, muss ein Ende haben. Es sind schon genügend theologisch–profunde Papiere und Visionen erstellt worden. Ihre Umsetzung erfordert allerdings Mut. Ich bin mir aber sicher, dass eine große Anzahl von Frauen und Männer hinter Ihnen stehen würden. Ich bin mir auch bewusst, dass das nicht allen passen wird. Aber könnte eine kulturelle und liturgische Vielfalt, eine Ungleichzeitigkeit in den verschiedenen Gemeinden und Kirchen nicht weit mehr dem neutestamentlichen Ideal einer allgemeinen, eben katholischen Kirche entsprechen, als ein unbeweglicher Einheitsbrei?
Übrigens: die Gartenbahn wurde nicht gebaut. Irgendwann schlief das Thema ein und wir haben uns im Laufe der Schulzeit aus den Augen verloren. Ob besagter Freund doch noch Lotto-Millionär geworden ist, entzieht sich leider meiner Kenntnis.