Moment mal: Gott - einer von uns

Bild: Bistum Essen In: Pfarrbriefservice.de

Sie liegt in ihrem Bett. Die Beine sind dicht an den Körper herangezogen – wie im Mutterleib. Ihr Atem geht ruhig. Manchmal schmatzt, ein andermal seufzt sie. Es ist ein friedliches und beschauliches Bild, das ich da sehen kann. Einen kleinen Dämpfer gibt es allerdings. Da liegt kein neugeborenes Mädchen im Bett, sondern eine alte Frau. Ich bin im Pflegeheim und besuche nach dem Gottesdienst noch ein paar Bewohnerinnen und Bewohner, die das Bett nicht mehr verlassen können.
An den Wänden hängen alte Schwarz-Weiß-Bilder. Eines davon ist ihr Hochzeitsbild. Sie war eine stattliche, attraktive Frau mit einem selbstbewussten Blick. Ein paar Farbfotos zeigen sie als Mutter mit den Kindern, sei es im Urlaub oder bei einem Geburtstag. Daneben hängen noch Kinderzeichnungen. „Für Uromi“ ist mit krakeliger Schrift zu lesen. Das Leben der Frau geht dem Ende zu: sie wird künstlich ernährt und reagiert nur noch schwach auf die Umgebung. Ihre Augen gehen oft ins Leere. Sprechen kann sie nicht mehr.
Gott wird Mensch, so bekennen wir Christen an Weihnachten. In den Krippenfeiern und den Gottesdiensten erinnern und feiern wir das Geheimnis von Betlehem. Die Botschaft vom kleinen Säugling in der Krippe rührt viele Menschen an. Die Lieder gehen zu Herzen. Die Menschen denken an die eigenen Kinder oder Enkel und hoffen, dass deren Leben gelingen kann.
Das Glaubensbekenntnis an den menschgewordenen Gott provoziert. Wo kann ich Gott begegnen? Spontan wird einem Gebet, Gottesdienst und Kirche einfallen. Eine neue Antwort auf die alte Frage fand ich im Altenheim. Gott, das zeigte mir die pflegebedürftige Frau, wurde nicht nur im kleinen Kind in Betlehem geboren. Sondern er begegnet mir in jedem Menschen. Nicht nur der Beginn, sondern auch das Ende des Lebens legen für mich eine Spur zu Gott. Als Christ glaube ich, dass das gesamte Leben unendlich wertvoll ist, denn Gott kommt in jedem Menschen zur Welt. Weihnachten ist für mich eine Hoffnungsbotschaft, besonders gegen jeden Zynismus, der den Menschen auf bestimmte Merkmale einschränkt. Jedes Leben, so zeigt mir das Fest, hat einen Sinn.
Meine Hochachtung gilt besonders heute allen Frauen und Männern, die zuhause, in den Altenheimen, Krankenhäusern kleine oder große, alte oder junge Menschen pflegen. Sie halten auf ihre Weise die Erinnerung an den menschgewordenen Gott wach. Ich wünsche Ihnen allen ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest und die Freude darüber, dass Gott einer von uns wurde.